29.06.2022

 

Abt Urban Federer vom Kloster Einsiedeln, Shai Doron, Präsident der Jerusalem Foundation, Esther Girsberger Moderatorin

 

 

Traditionsreiche Institutionen weiterentwickeln

 

Am 21. Juni 2022 war die Jerusalem Foundation zu Besuch im Kloster Einsiedeln. Die Gäste wurden durch Abt Urban Federer und Erika Gideon, Ehrenpräsidentin der Jerusalem Foundation Switzerland, begrüsst.

 

Shai Doron, Präsident der Jerusalem Foundation International, und Abt Urban Federer, Vorsteher des Klosters, sprachen darüber, wie man traditionsreiche Institutionen, oder im Fall von Jerusalem, eine Stadt, weiterentwickelt, damit sie zeitgenössischen Ansprüchen genügen, ohne den Kern der Traditionen zu verlieren. Während dem über ein-stündigen Gespräch kamen viele Gemeinsamkeiten – inklusive dem Humor – zu Tage. Umrahmt wurde das Gespräch vom Klavier Trio, das aus Jerusalem angereist ist.

 

Die Musik ist es auch, die das Kloster in Einsiedeln mit dem Jerusalem Music Center und der Jerusalem Foundation verbindet. Eine Sammlung an Streichinstrumente legte den Grundstein für die Beziehung zwischen den Institutionen. Die Cellistin, Daphne Richman Poleg, spielte an diesem Abend auf einem Cello aus dieser Sammlung, wie sie Esther Girsberger, der Moderatorin des Gesprächs, im Interview erklärte.

 

 

Die Musiker:innen: Shani Levy (Geige), Tom Zalmanov (Piano), Daphne Richmann Poleg (Cello)

 

Der Grosse Saal im Kloster Einsiedeln ist ein würdiger Raum, um den Klängen von Haydn, Mendelssohn und Wolpe Resonanz zu verleihen. Das Trio unter der Leitung von Gadi Abadi spielte die Stücke mit Hingabe. Entsprechend berührt von der Musik waren die Teilnehmer:innen des Abends.

 

Shai Doron und Abt Urban Federer tauschten unter der Moderation von Esther Girsberger ihre Sicht auf Entwicklung und Diversität aus. Dabei war der Humor ein gemeinsamer Nenner, trotz oder gerade wegen den schwierigen Themen, wie die Coronakrise oder die Flüchtlingskrise, welche durch den Krieg in der Ukraine neu entfacht wurde. Die Moderatorin Esther Girsberger wollte wissen, wie die Institutionen diese Krisen gemeistert haben und was Flüchtende brauchen.

 

Was brauchen Flüchtende?

 

Sowohl das Kloster auch die Jerusalem Foundation in Jerusalem kümmern sich um Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind. Was brauchen diese Menschen? Hier waren sich beide einig. Neben Unterkünften braucht es fixe Strukturen, an denen sich die Leute halten können und Stabilität. Wichtig ist auch, dass die Menschen wieder Hoffnung schöpfen können. Hier sieht Abt Urban primär das Gebet und Shai Doron eher Aktivitäten, welche die Menschen an ihre Heimat erinnern.

 

Bei der Religion waren sich die beiden hingegen nicht einig. Ein Teil der Tagesstruktur ist für Abt Urban auch das Gebet, das Kraft und Hoffnung geben soll. Shai Doron meinte hier, dass für das Zusammenleben gerade ohne Religion und Politik wichtig sind. Die Jerusalem Foundation ist eine apolitische Organisation, welche die Lebensverhältnisse aller Einwohner:innen Jerusalems verbessern möchte. Er sieht hier vor allem die Politik als Stolperstein. Shai Doron: «In Frieden zu leben ist nicht dasselbe, wie Frieden schliessen. Für die Gesellschaft steht das Zusammenleben im Zentrum. Darauf legen wir den Fokus.»

 

Diversität feiern oder einfach nur leben?

 

In einem anderen Punkt herrschte ebenfalls Uneinigkeit. Shai Doron sieht Diversität als ein grosses Kapital, das es zu feiern gilt, da daraus viele grossartige Dinge entstehen. Abt Urban hingegen zieht es vor, Diversität einfach zu leben. Er möchte im Kloster den Raum für die Vielfältigkeit geben. Er sieht diese Kraft darin, wenn Orthodoxe, Buddhisten oder Hinduisten ihre Gebete in den Räumen sprechen.

 

 

 

Die Schönheit des Raums spricht für sich.

 

 

Raum geben

 

Einig waren sich Shai Doron und Abt Urban hingegen, dass Diversität durch den zur Verfügung gestellten Raum entsteht und gelebt wird. Shai Doron betonte, dass viel der Arbeit, welche die Jerusalem Foundation in Jerusalem macht, darin besteht, gemeinsame Orte, wie Parks, Museen oder geteilte Bildungsräume zu schaffen. Räume, in denen der Austausch und das unmittelbare Kennenlernen ermöglicht wird. Abt Urban sieht das ähnlich: «Den Raum geben und halten, damit ein vertrauensvoller Austausch ermöglicht wird, unabhängig von der Herkunft. Dafür steht das Kloster Einsiedeln ebenfalls».

 

 

Katholisches Kloster und Diversität

 

Denken wir an ein katholisches Kloster, haben wir nicht zwingend Vielfalt vor Augen. Abt Urban öffnet hier gekonnt die Vorurteile des Publikums. Denn auch ein Kloster ist divers. Ein Mönch entscheidet sich ins Kloster einzutreten, unabhängig davon welche Charaktere im Kloster leben. Mit ihnen bildet man eine Gemeinschaft. Aber nicht nur. Auch die Schwesternschaft vom Kloster Fahr ist Teil der Gemeinschaft.

 

 

Entwicklung durch Menschlichkeit

 

Die Entwicklung traditionsreicher Institutionen, damit sie im zeitgenössischen Umfeld Bestand haben, geschieht über die Menschlichkeit und über das Raum schaffen und Raum geben. Im physischen Sinne, aber auch darin voneinander zu lernen und das Kapital in der Vielfältigkeit zu sehen. Darin waren sich die Protagonisten dieses Gesprächs einig.

 

 

נגישות אתר